Helgoland IX - im Winter 2019/20
Auf die Düne, fertig, los!
Mit gemischten Gefühlen fuhren wir dieses Mal nach Helgoland. Im Vorfeld hörten und lasen wir, daß das Spannungsfeld zwischen Tourismus und Naturschutz nachwievor besteht: freier Zugang auf der Düne und zu den Stränden vers. Robben dürfen nicht gestört werden, Mindestabstand 30 m. Somit erwarteten wir aufgrund der wahrscheinlich hohen Zahl an Robben neben einer gewissen Einschränkung der Bewegungsfreiheit auch eine konkrete Sperrung von Strandabschnitten. Aber wie schlimm ist das wirklich? Lohnt es sich unter diesen Umständen überhaupt, die Kegelrobben auf der Düne zu fotografieren? Nun, das kommt darauf an... Zunächst einmal einige der Bilder unseres Aufenthalts:
Wir waren vom 18.11. bis 4.12.2019 auf Helgoland bzw. der Düne - die Beobachtungen beschränken sich somit auf diesen Zeitraum. Die Bilder entstanden im Wesentlichen am Südstrand. Nordstrand und Aade waren bereits gesperrt, auch wenn es keine behördliche Anordnung war. Die Vertreter des Vereins Jordsand bzw. die Dünenranger wiesen auf den einzuhaltenden 30m-Abstand hin. Dieser war weder am Nordstrand noch auf der Aade störungsfrei einzuhalten. Zudem kam hinzu, daß am Ende des Flughafens direkt auf dem Weg am 21.11. ein Junges geboren wurde. Somit war auch hier der Durchgang nicht mehr möglich. Später kam noch ein zweites Baby hinzu. Fotografisch nicht gut, denn dieses Gebiet "zwischen" Nordstrand und Aade war früher mein bevorzugtes Foto-Gebiet u.a. auch da hier viele Revierkämpfe der Bullen stattfinden. Der Südstrand war bis zu unserer Abreise offen, am letzten Tag mit etwas Einschränkungen, da auch hier einige Robben sehr nahe am Eingang ihre Jungen zur Welt brachten. Am letzten Tag wurde allerdings schon darum gebeten, den Strand möglichst nicht weiter zu besuchen und wir hörten einige Tage nach unserer Abreise, daß der Südstrand geschlossen wurde.
Fotografisch ist für mich der Südstrand bevorzugt: aufgrund des relativ sauberen Sandes und der Dünen stören lediglich andere Robben (immer mehr) und Besucher / Fotografen, die entweder direkt oder indirekt auf die Bilder Einfluß nehmen. Aber früh (vor 10 Uhr) und spät (nach 15 Uhr) geht es und es gelingen auch schöne Bilder. Im übrigen bevorzugt auch bei Niedrigwasser - dann verteilt sich alles etwas mehr und die Hintergründe lassen sich besser gestalten.
Aus Sicht einer Besucherlenkung ist der Bohlenweg (oder offiziell Panoramaweg) eine gute Option. Er bietet eine gute Übersicht und man kann viele Robben im Auge behalten, so daß sich immer wieder ein interessantes Verhalten zeigt: Säugen des Babys, Vertreiben eines Bullen durch die Kuh, Revierkampf, Bulle interessiert sich für ein Weibchen oder sogar eine Geburt. Das folgende Video zeigt den Nordstrand am Anfang und am Ende unseres Aufenthalts. Bitte im Vollbild ansehen, denn sonst sind die Robben nicht gut zu erkennen:
Fotografisch ist der Bohlenweg aus meiner Sicht wenig spannend. Die "von oben herab" Perspektive ist zwar übersichtlich, bietet aber ansonsten wenig Möglichkeiten für eine kreative Bildgestaltung. Selbst mit langen Brennweiten ist hier nichts zu machen - und das Verlassen des Bohlenwegs in Richtung Strand ist nicht gestattet (Dünen-Schutz!). Das sich doch immer wieder Fotografen darüber hinwegsetzen ist ein Ärgernis; nicht nur für die Robbenschützer sondern auch für die sich an die Regel haltenden Fotografen, denen pauschal solches Verhalten unterstellt wird. Dies gilt zumindest für den "Erstkontakt", allerdings kann man durch das eigene Verhalten Akzeptanz erzeugen.
Wir haben uns konsequent daran gehalten - wenn es möglich war. Aber es war doch immer mal nötig, "zu nah" an einer Robbe vorbei zu laufen, wenn es nicht möglich war, einen anderen Weg zu nehmen. Und nicht vergessen, die Dünen sind tabu.
Die 30m-Regelung ist bei Verwendung langer Brennweiten (Vollformat mind. 600mm, besser 800mm) kein Problem, aber einen guten Platz, unter Berücksichtigung des 30m-Abstand zu den übrigen Robben, zu finden, klappt nicht immer. Es ist auch immer damit zu rechnen, daß eine andere, nicht das Motiv bildende, Robbe die 30m Grenze unterschreitet und dann zieht sich der sensible Fotograf auch von seinem eigentlichen Motiv zurück. Somit ist es Glücksache, ob gerade interessantes Verhalten beobachtet werden kann und "schnell" fotografiert werden kann. Früher war es möglich, solche Situationen zu erleben, indem man längere Zeit an einer Stelle ausharrte und wartete, bis was Interessantes passiert. Das ist jetzt unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nur noch von wenigen Stellen aus möglich, so z.B. beim Zugang des Südstrands beim Dünenhafen. Die folgenden Bilder geben einen Eindruck von den "Arbeitsbedingungen" eines Naturfotografen auf der Düne von heute...
Noch etwas zur Diskussion über den Robbenschutz und die damit verbundenen Probleme.
Meine Frau und ich besuchen / fotografieren die Kegelrobben auf der Düne seit 12 Jahren (2007 erstmals), mehr oder weniger jedes Jahr. Nirgendwo in Deutschland / Europa kommt man Wildtieren so nahe und kann ihr Verhalten beobachten und fotografieren. Und das ist auch möglich, weil sich die Robben (nicht alle!) an die Menschen gewöhnt haben und ihnen auch die Anwesenheit in intimen Momenten (Geburt!) gestatten. Das ist ein einzigartiger Ort und Bedarf des Erhalts und der Pflege - das ist unstrittig - aber wie? Der - mit Ausnahme der Saison 18/19 - kontinuierliche Anstieg der Geburtenzahl zeigt, daß sich die Robben wohlfühlen, auch trotz oder wegen der Menschen auf der Düne. Es steht für mich fest, daß die Robben auf dem Land uns Menschen neutral gegenüber stehen. Wir sind da, aber Menschen sind keine Rivalen, keine Sexualpartner, keine Gefahr oder Beute. Insbesonders Heranwachsende (vor der Geschlechtsreife) sind neugierig und nähern sich manchmal dem Menschen. Dieses Verhalten wurde früher von Fotografen genutzt, die sich ruhig hinsetzten und auf diese Annäherungen warteten. Soweit ich weiß, gab es da nie einen direkten Kontakt - was ich selbst erlebt habe, ist ein Schnuppern am Stiefel und ein schneller Rückzug und das Interesse der Robbe war damit auch erloschen.
Dieses Jahr wurde ich auf eine Problematik hingewiesen, die doch Auswirkungen auf das Verhalten als Fotograf oder Beobachter hat:
die Situation im Sommer. Dort nähern sich Robben, die die Scheu vor dem Menschen verloren haben, den Schwimmern und möchten spielen. Das ist eine potentiell gefährliche Situation, im Wasser sind die Robben in ihrem Element und sind uns deutlich überlegen. Ich selbst habe das 2017 erfahren (siehe Archiv), als ich Unterwasseraufnahmen von Robben gemacht habe. Die Robben kamen von sich aus näher, aber nur ein Exemplar kam mir sehr nah, so daß ich unruhig wurde. Ich kann mir gut vorstellen, daß Abwehrbewegungen von überraschten Schwimmern auch Reaktionen der Robben hervorrufen können. Vielleicht wird das als Spielbeginn eingestuft und wer die Halbwüchsigen hat spielen sehen, weiß, daß das Maul da auch eine wesentliche Rolle spielt. Da die Haut des Menschen (auch mit Neopren) deutlich weniger widerstandsfähig ist, als die Robbenhaut, könnte ein "zärtlicher Biß" zu Verletzungen führen.
Kurzum: der Wunsch, die Tiere "zu entwöhnen" ist m.E. aus der Gesamtsicht zu begründen
Somit sollte man die 30 m Abstand einhalten und sich zurückhaltend verhalten. Inwieweit es nun tatsächlich gelingt, die Scheu vor dem Menschen wieder zu etablieren, sei dahin gestellt. Da wir ja auch in Zukunft keine Gefahr für die Robben sein werden, werden sie auch in Zukunft keine negativen Erlebnisse mit Menschen haben, auch wenn sich diese nur noch in 30m Abstand aufhalten.
Wie geht es nun weiter?
Das hängt von vielen Faktoren ab, deren Bewertung nun in Zukunft ein Beirat mit Vertretern der verschiedenen Interessensgruppen vornehmen wird. Fest steht aus meiner Sicht, es werden mehr Robben werden. Diese Saison gab es 530 Geburten. Wie es weiter gehen kann, zeigt die folgende Graphik: bis zur letzten Saison hat die Modellrechnung perfekt gepasst. Warum es 2018/19 nicht zu einer Steigerung kam, ist mir unklar - vielleicht aber auch einfach ein Artefakt der Datenerhebung, die evt. unterschiedlich durchgeführt wurde. Dafür spricht, daß man sich jetzt anscheinend wieder der blauen Kurve der Modell-Rechnung nähert. Wir werden sehen...
Ich freue mich auf Fragen oder Kommentare - gerne per E-Mail